Ich denke sowieso mit dem Knie 2021

ICH DENKE SOWIESO MIT DEM KNIE

Kunstprojekt anlässlich des 100. Geburtstags des Künstlers Joseph Beuys

R. Kasper, Beuys, der Schamane, LW, 120 x 90 cm

Die Künstler Reimund Kasper und Alfred Gockel aus Nordrhein-Westfalen, beide Absolventen der Fachhochschule Münster mit einer internationalen Vita, unternehmen aus zwei unterschiedlichen künstlerischen Standpunkten den Versuch, sich mit ihrem Projekt Ich denke sowieso mit dem Knie dem Werk von Beuys anzunähern und auf seine Relevanz für unsere heutige Zeit zu prüfen.

Titel der Ausstellung: Ich denke sowieso mit dem Knie

Künstler: Reimund Kasper & Alfred Gockel

Laufzeit der Ausstellung: 11. bis 18. Sept. 2021

Lokalität: Gut Haus Döllberg, Unna

Joseph Beuys, der Mann mit Filzhut, Jeans und Anglerweste, ist zum Inbegriff der Gegenwartskunst geworden. Er war ein Künstler, Medienstar, Pädagoge und Politiker, der die Revolution im Kopf trug und die Grenzen zwischen Kunst und Leben in der Gesellschaft einzureißen gedachte. „Kunst wollte er in Politik verwandeln, Politik in Kunst“, bemerkte der Kunstprofessor Philip Ursprung in seiner Beuys-Monografie Joseph Beuys. Kunst. Kapital. Revolution (2021). Beuys forderte die Erziehung des einzelnen Menschen durch Kunst und die Revolutionierung der menschlichen Lebensverhältnisse durch mehr Demokratie und Bildung und ökologisches Wirtschaften. Wie kaum ein anderer prägte und polarisierte er die zeitgenössische Kunstlandschaft.

Alfred Gockel und Reimund Kasper denken kreuz und quer – und, wie Beuys, sowieso mit dem Knie. Sie suchen mit Eindringlichkeit die Position des Künstlers in dieser sich dramatisch verändernden Welt und fordern ihre Mitmenschen zum Weiterdenken und zu gesellschaftlicher Partizipation auf. Denn: Kunst ist eine basale Notwendigkeit, ein Lebenselixier für jeden Einzelnen und unsere demokratische Gesellschaft als Ganzes


Reimund Kaspers Verzauberung durch Kunst

Der Kunstrebell Beuys veranlasste Reimund Kasper, die Grenzen der eigenen Kunst zu erweitern und als Bildender Künstler auf die Ungewissheit über die Zukunft der Kunst und Kultur, der politischen Stabilität Europas und der natürlichen Umwelt zu reagieren. So offeriert Kasper mit seinen Arbeiten eine malerisch und plastisch gestaltete Verzauberung durch Kunst, die eine kritische Auseinandersetzung mit der Gegenwart nicht aussetzt, sondern in einem spielerischen Umgang mit unserer Welt eine Sprache des Optimismus zu formulieren versucht. Denn das Spiel ist das grundlegende Element unserer Kultur, die „im Spiel – als Spiel – aufkommt und sich entfaltet“ (Johan Huizinga). Kunst fungiert so als (Selbst-)Therapie. Für Beuys war der Vorgang der Selbstheilung übertragbar auf die Gesellschaft. Beuys' Kunst, theoretisiert unter dem Begriff der Sozialen Plastik, hegte den Anspruch, auf die Gesellschaft gestaltend einzuwirken. Auch Reimund Kasper betrachtet Kunst als Mehrwert und Vehikel des Antriebs, um notwendige gesellschaftspolitische Veränderungen voranzutreiben.


Malerei und Objektkunst

Entstanden sind Originale auf Leinwand und einzigartige plastische Objekte. Zentrale Themen der Werkreihe des Künstlers Kasper sind u.a. das Spiel als Kulturerscheinung und Motor der Kreativität, Bewegung als Lebens- und Kunstprinzip der Moderne, die Exploitation der Natur und die Wiederbelebung der verlorenen Animalität sowie die Möglichkeiten und Exzesse der Wissenschaft und Technik in Relation zur Natur.

Der Mensch spielt

Reimund Kasper thematisiert in seiner Arbeit Der Mensch spielt die Dynamik und Glückseligkeit des Spiels. Die Kreativität brodelt im Kopf des Mannes, die ihn von seinem Sitzplatz zu reißen droht – und plötzlich rasen zwei "Spiel-Zeuge", Schnipp-Schnapp und Schlosshund, durch das Kabinett, biomechanische Wesen, Schöpfungen des menschlichen Spieltriebs.

Kasper lässt sie gewähren, lässt sie spielen, lässt sie – und ihre Gefährten – den ihnen zugestandenen Raum auf der Leinwand verlassen. Indem er seine fantastischen Geschöpfe als plastische, dreidimensionale Objekte aus der Flächigkeit extrahiert, wird der Ausstellungsraum zum "Spielzimmer" und der Bildbetrachter ein Spielgefährte dieser Kreaturen, deren Destination außerhalb der geschlossenen Räume – in der Um-Welt – zu liegen scheint.

 


R. Kasper, Schnipp-Schnapp, diverse Materialien, H=21/B=43/T=10,5 cm


R. Kasper, Ich bin kein Mensch, ich bin ein Hase, LW, 120 x 90 cm

Ich bin kein Mensch, ich bin ein Hase

Die Arbeit ist eine Interpretation der Hasenfrau von Beuys. Der Akt der Erotik und die Fruchtbarkeit des Hasen verbinden sich in der dargestellten schwangeren Hasenfrau. Mit der Wahl des Werktitels erinnert Kasper an das Beuys-Interview vom 30.04.1981 im Stern, in dem Beuys sich als “ganz scharfer Hase” charakterisierte, um neben der Fruchtbarkeit die Wesensmerkmale des Hasen, wie Schnelligkeit, Vorsicht und Klugheit, auf sich zu übertragen und im Menschen zu reaktivieren. Der Schamane Beuys betrachtete das Tier als Gesprächspartner, nicht als bloßes Material für die Kunst.

Collagenhaft gesetzte Holzelemente im Werk demonstrieren den fluiden Übergang von der flachen Ebene in die plastische Körperlichkeit. Der Hase trägt hölzerne Rollen und verweist auf die Bewegung als Lebens- und Kunstprinzip der Moderne. Die Geschwindigkeit der Technisierung im frühen 21. Jahrhundert entfacht ihre Wirkung auf die natürliche Biosphäre und zwingt sämtliche Lebensformen in Interdependenzen. Umso dringlicher ist heute ein von hoher Sensibilität geprägter, verantwortungsbewusster Umgang mit der Natur – und eine Rückbesinnung auf die Natur.

Wer nicht denken will, fliegt raus

„Die Überlebensfrage geht über das Problem der menschlichen Gesundheit hinaus und betrifft die Gesundheit des ganzen Planeten“, propagierte Beuys, Gründungsmitglied der Grünen, 1981 und identifizierte die destruktiven Exzesse der kapitalgetriebenen Ökonomie – heute, vierzig Jahre später, ist diese Frage aktueller denn je.

Die Exploitation des Hirsches, als Symbol der Erneuerung, Fruchtbarkeit und des Wachstums ein präferiertes Motiv von Beuys, findet bei Kasper unter der Beobachtung eines chinesischen Potentaten aus Wuhan und vor den Augen eines artifiziell geschaffenen „Spielgefährten“ statt. Ludwigs Hund, im Bildvordergrund positioniert, trägt Nerz und Hermelin und stellt in seiner Manifestation als Plastik die Naturausbeutung des Menschen zur Schau.



R. Kasper, Wer nicht denken will, fliegt raus, LW, 120 x 100 cm

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