GOYA RUFT DIE GEISTER

 

UNWETTER | Projekt "Goya ruft die Geister"

Die Bildenden Künstler Alfred Gockel (Lüdinghausen), Reimund Kasper (Kamen), Joey Schmidt-Muller (Basel) und der Schriftsteller Wernfried Hübschmann (Hausen/Berlin) haben als Reaktion auf unsere ins Wanken geratene Weltsituation unter dem Namen UNWETTER eine neue Künstlergemeinschaft gegründet. Vier kreative Köpfe sind der Meinung, dass mit künstlerischen Mitteln ein klares politisches Statement in die Welt gegeben werden muss. Die Gruppe befasst sich in ihrem Projekt "Goya ruft die Geister" mit dem Leben und Werk des spanischen Malers Francisco de Goya (1746-1828), einem der wichtigsten Wegbereiter der europäischen Moderne. Goya war Auftragsmaler am spanischen Hofe, avancierte aber zum Freidenker und erbitterten Ankläger seiner Zeit. Die UNWETTER-Mitglieder transponieren, erweitern und „überschreiben“ Goyas Werke und die darin enthaltenen Themen in die Bildsprache und die Sprachbilder unserer Epoche.

Projektstart 2019: Die Künstlergruppe UNWETTER bietet ca. 45 bis 60 großformatige Gemälde von professionellen Künstlern mit internationaler Erfahrung an sowie die Möglichkeit, Ausstellungen durch Lesungen und Performances anzureichern.

Internetseite: www.art-unwetter.de
Facebookseite: Künstlergruppe UNWETTER

 

R. Kasper | Die Macht des Wortes | Pigmente/Leinwand | 100 x 160 cm [Interpretation von Capricho Nr. 53: Qué pico de oro!]

Reimund Kasper auf Spurensuche

Der spanische Maler und Grafiker Francisco de Goya erlebte Anfang der 1790er Jahre eine schwere körperliche und seelische Krise, die zum Verlust seines Gehörs führte. Die Taubheit schärfte seine visuelle Wahrnehmung und ließ den Gesellschaftsmaler am königlichen Hof zu Madrid zunehmend zu einem kritischen Beobachter und Satiriker seiner Epoche werden, in dessen Grafikserien, Zeichnungen und Ölbildern sich die Zerrbilder und Verblendungen der zeitgenössischen spanischen Gesellschaft manifestieren. Goya kritisiert menschliche Schwächen, verarbeitet persönliche Erfahrungen und Phantasien und zeigt auf, dass das Vernunftwidrige und Monströse im Menschen selbst zum Vorschein kommt. Kurzum: Goya macht das Ungeheuerliche glaubhaft sichtbar. In seinen Arbeiten sind die Kräfte der klaren Vernunft und der entfesselten Phantasie am Werk, so dass universelle Dokumente menschlicher Begierden, Lüste und Laster entstehen.

Die Erkenntnis, dass sich diese Welt nicht zum Paradies verändert, wenn der Glaube an das Gute immer weiter schwindet, bringt mich als Künstler auf den nackten Boden der Realität zurück. Das Verlangen nach tiefgründigen Themen, das Aufbrechen des sich von der parfürmierten Oberfläche lösenden Geschnörkels, befriedigt mich als Künstler zutiefst in meinem Arbeitsprozess. Vielleicht vermag dieses nachdrückliche Begehren in mir auch den Erkenntnissen zu Grunde liegen, die ich, gleichsam als künstlerischer Seismograph, nach dem Ablauf bestimmter Lebensjahrzehnte angesammelt habe.

Ich sehe die Zerrissenheit dieser in sich brutalen Weltgemeinschaft, die Goya im Anbeginn der Moderne auf Blätter und Leinwände bannte – eine Weltgemeinschaft, die scheinbar nie ernsthaft die Intention hegte, aus diesem Globus etwas Gutes machen zu wollen und bei aller Herzlichkeit und Güte auf ihre Lasterhaftigkeit und Verkommenheit zurückgeworfen wird. Aus diesem Grund bin ich auf das Werk und Leben Francisco de Goyas gestoßen, der wie kein anderer in den letzten Jahrhunderten die Schwächen der Menschen derart eindringlich dargestellt und geschildert hatte. Goyas Werk ist zu meinem Begleiter geworden. Bei der Bearbeitung alter Themen in neuen Kleidern.



R. Kasper | Es lebe die Ignoranz! | Pigmente/Leinwand | 100 x 140 cm
[Interpretation von Capricho Nr. 50: Los Chinchillas und Disparate Nr. 8: Los ensacados]

Ich trage Goyas Hut

Reimund Kasper transferiert Goyas Idee der Selbstinszenierung in seine Zeit: Der Künstler ist im Seitenprofil zu sehen und trägt einen schwarzen Zylinder. Die Reminiszenz an Goya dient Kasper gleichsam der Revitalisierung des freiheitlich-aufklärerischen Gedankenguts der Zeit um 1800, da Bürger, die damals einen Zylinderhut trugen, ihrer liberalen Gesinnung Ausdruck verliehen. Wie auch Goya, konfrontiert Kasper den Betrachter mit der alptraumhaften Kehrseite der Vernunft. Der Ziegenbock, ein Sujet, das an Goyas Hexensabbat (1798) erinnert, starrt den Betrachter – im Gegensatz zum Künstler – an. Er sucht nicht die Distanz, bohrt sich in sein Innerstes und erzeugt als Konterpart zum Konterfei des Künstlers einen Zustand der Ambivalenz, die auf die Dualität von Vernunft und Traum und Grausamkeit und Menschlichkeit verweisen könnte.

 

R. Kasper | Ich trage Goyas Hut | Pigmente/Leinwand | 60 x 60 cm
[Selbstporträt in Anlehnung an Capricho Nr. 1: Fran. Goya y Lucientes, Pintor]